Neben den rund 25 europäischen Sprachen gibt es über 200 Minderheitensprachen in Europa. 14 davon werden im EU Projekt ELDIA (European Language Diversity for All) näher untersucht.
Kv(N) = Quänisch (Finnmarkfinnisch) in Norwegen
NS(N) = Nordsaamisch in Norwegen
Me(S) = Meänkieli (Tornedalfinnisch) in Schweden
Ka(F) = Karelisch in Finnisch
Ka(R) = Karelisch in Russland
Es(F) = Estnisch in Finnland
Ve(R) = Wepsisch in Russland
SF = Schwedenfinnisch
Se(E) = Seto (Setukesisch) in Estland
Se(R) = Seto in Russland
Võ(E) = Võro (Südostestnisch) in Estland
Es(G) = Estnisch in Deutschland
Hu(A) = Ungarisch in Österreich
Hu(S) = Ungarisch in Slowenien
Alle ausgewählten Minderheitensprachen gehören der Finno-ugrischen Sprachfamilie an, von der im Allgemeinen nur Finnisch und Ungarisch bekannt ist. Die Ergebnisse des Projekts sollen jedoch auch auf andere Sprachengruppen übertragbar sein.
Besonders interessant kommen mir bei diesem Projekt folgende Gesichtspunkte vor:
Es geht hier weniger um Erkenntnisse hinsichtlich des Erlernens der größeren europäischen Sprachen wie Englisch oder Französisch durch anderssprachige Personen, sondern um ein Verständnis der Vielsprachigkeit Europas als Teil des europäischen Erbes, das den Gebrauch von sowohl nationalen als auch regionalen Minoritätssprachen Seite an Seite von international gängigeren Verkehrssprachen beinhaltet .
Die Aufmerksamkeit richtet sich nicht mehr auf konfliktbasierte Modelle (Rivalität unter Sprachen, Vielsprachigkeit als psychologische oder sozioökonomische Last für die einzelne Person oder die Gesellschaft) sondern auf Modelle, die den Dialog in der Gesellschaft und gemeinsames Handeln betonen. Das Projekt konzentriert sich auf den aktiven Sprachgebrauch und die Sprachwahl in unterschiedlichen Situationen.
Der Fokus wird nicht mehr auf vereinfachende Konzepte wie Sprechen/Verstehen vs. nicht Sprechen/nicht Verstehen einer Sprache gelenkt, sondern auf die komplexe Rolle der Sprache als Träger symbolischer Funktionen und kultureller Werte und auf das breite Spektrum der auf Sprache basierenden Kultur .
Mit dabei unter den 8 teilnehmenden Universitäten ist die Universität Wien mit Frau Prof. Johanna Laakso.
Das Projekt startet im Frühjahr 2010 und wird voraussichtlich ca. 2 Jahre dauern.
Warum ist ein Projekt dieser Art für uns ÜbersetzerInnen und SprachmittlerInnen interessant?
Es öffnet unsere Einstellung in Hinblick auf die Vielfältigkeit und Veränderlichkeit der Sprachen. Eine Sprache ist kein statisches Konstrukt, sondern permanentem Wandel unterworfen. Obwohl einerseits Englisch vermehrt zur internationalen Verständigung herangezogen wird, verlieren anderseits lokale und regionale Einflüsse keinesfalls an Gewicht. Sei es regionaler Sprachgebrauch, Dialekte oder die Sprachen der im eigenen Land ansässig gewordenen anderssprachigen Personen und Gesellschaftsgruppen, all dies führt zu Veränderungen im allgemeinen Sprachgebrauch .
Aus diesem Grund werden bei uns zB Marketing-Texte prinzipiell immer von Personen übersetzt und lektoriert, die im Zielland tatsächlich leben und die lebende Sprache im Land bzw. in der Region – mit all ihren Facetten – sprechen.
Dass es allein in Europa 200 Minderheitensprachen gibt, sollte uns auch den Blick dafür öffnen, dass Sprachen und Kulturen nicht eindeutig einem bestimmten Land zuzuordnen sind, sondern überall anzutreffen sind. Frei nach dem Motto – warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah. Man muss nur Augen und Ohren öffnen und bereit sein, sich auf andere Kulturen im eigenen Land einzulassen und sie näher kennenzulernen.